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Selbstständigkeit von häuslichen Betreuungskräften in Deutschland und Österreich – Gute Lösung oder nur ein weiteres Ausbeutungsmodell?

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Eine Stellungnahme der deutschen Beratungsstellen und der IG24

In Deutschland hat das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Fall der bulgarischen Betreuerin, die auf Mindestlohn für 24 Stunden Arbeit pro Tag geklagt hat, eine intensive Diskussion herausgelöst. Die Regierungskoalition will eine rechtssichere Grundlage für die 24-Stunden-Betreuung schaffen. Der Interessenverband der Agenturen schlägt die Einführung des Selbständigenmodelles nach österreichischem Vorbild vor.

In Deutschland gibt es verschiedene Beschäftigungsmodelle (Vollzeit –und Teilzeitanstellung, Minijob, Selbständigkeit), die Branche ist weitgehend unreguliert. Die prekären Arbeitsbedingungen der Betreuer*innen sind durch überlange Arbeitszeiten, geringe Entlohnung und mangelnde Sozialabsicherung gekennzeichnet. Gravierende Gesetzesverstoße und missbräuchliche Praktiken sind keine Seltenheit, wie die Beratungsstellen wissen.

Die Befürworter des Selbständigenmodelles sind der Meinung, dass durch seine Einführung die Brüche des Arbeitsrechts beendet und die Betreuer*innen sozialversichert sein würden. Die bisherigen Erfahrungen in Deutschland und Österreich zeigen jedoch deutlich, dass mit dem Selbständigenmodell keine sichere Rechtsgrundlage in der Branche geschaffen werden kann. Die Betreuer*innen üben ihre Berufstätigkeit in starker Abhängigkeit von den zu betreuenden Personen und den Agenturen aus. Dieser Umstand, genannt auch Scheinselbständigkeit, schafft eine Grundlage für ausbeuterische Verhältnisse, gegen die man nur sehr schwer vorgehen kann. Da das Arbeitsrecht gar keine Anwendung findet, sind effektive Beschwerde –und Kontrollmechanismen nicht gegeben. In Bezug auf soziale Rechte sind die Betreuer*innen sehr wenig abgesichert: Sie haben keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder 13. und 14. Monatsgehalt. Zudem ist die Altersarmut aufgrund von einer sehr geringen Pension vorprogrammiert.

Gemeinsam mit den Beratungsstellen aus Deutschland haben wir daher eine Stellungnahme verfasst, die auf Erkenntnissen aus unserer Beratungspraxis berührt. Anstatt von Deregulierung der Branche durch die Einführung eines Selbständigenmodelles plädieren wir für ein Arbeitgebermodell mit einem konsequenten Schutz der Arbeitnehmer*innenrechte.

Unterzeichner*innen:

  • BEMA: Berliner Beratungszentrum für Migration und gute Arbeit
  • IG24
  • Minor Projektkontor für Bildung und Forschung: Projekt “Migrationsberatung 4.0 – Gute Arbeit in Deutschland“ 
  • Katholische Betriebsseelsorge Ostwürttemberg
  • Initiative „Respekt“ der AMOS eG Oberbruch
  • KAB: Katholische Arbeitnehmer*innenbewegung Region Ostalb und Diözesanverband Aachen
  • Stiftung Volksverein Mönchengladbach