Liebe Kolleg:innen, Freund:innen,
solidarische Menschen!
Fast rechtzeitig zum Herbstbeginn wollen wir Euch einen Überblick über unsere Aktivitäten im letzten Halbjahr geben und euch von unseren Plänen für die kommenden Monate erzählen.
1 Unsere Arbeit, Unsere Rechte!
Seit Juli 2022 läuft das Projekt „Unsere Arbeit, Unsere Rechte!“ welches vom Digifonds der Arbeiterkammer Wien finanziert wird.
Das Projekt soll eine transparente und klare Kommunikation (on- und offline) von Arbeitsrechten – besonders unter dem Aspekt von Frauen- und Migrant:innenrechten – für die 24h-Betreuer:innen schaffen. Dazu wurden Anfang September die Inhalte für eine Reihe von Erklärvideos zu unterschiedlichen Themen wie Arbeit und Leben in Österreich erarbeitet, die Videoproduktion ist mittlerweile angelaufen. Anfang 2023 werden die Videos in mehreren Sprachen auf YouTube und unserer Website veröffentlicht.
Das 1. Video enthält einige Sicherheitsmaßnahmen, die vorgenommen werden können, um mögliche Probleme bei der Arbeit in der 24h-Personenbetreuung in Österreich zu vermeiden. Die Informationen in diesem Video basieren auf den in der Branche am häufigsten auftretenden Problemen und sind als Empfehlungen zu verstehen.
Das 2. Video enthält wichtige Informationen, die Betreuer:innen wissen sollten, wenn Sie in Österreich angekommen sind. In diesem Video konzentrieren wir uns auf das Selbständigenmodell (also die Arbeit über ein Gewerbe), mit oder ohne eine Vermittlungsagentur.
In weiterer Folge sind geplant: Ein Online-Beratungstool, mehrsprachige Informationsbroschüren, eine Reihe von Netzwerktreffen und Webinaren mit Spezialist:innen für Arbeitsrecht, Gewerbeverwaltung, Frauenrechte und vieles mehr.
Ab Jänner 2023 wird eine Beraterin den 24h-Betreuer:innen für Onlineberatung zur Verfügung stehen.
2 Care4Care: Von prekären zu sicheren Arbeitsbedingungen
Das Projekt ist in Kooperation mit LEFÖ-IBF, der Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel entstanden und im Mai 2022 gestartet. Mit dem Projekt wollen wir die Arbeitsbedingungen migrantischer Betreuer:innen verbessern und somit einen Beitrag zur sicheren Arbeitsmigration leisten. Das Projekt hat mehrere Ebenen: Im ersten Teil fokussieren wir uns auf die Stärkung und Professionalisierung der IG24 als eine Organisation, mit dem Ziel, die Selbstorganisierung migrantischer Betreuer:innen bestmöglich zu unterstützen. Dazu werden Trainings in Bereichen wie Organisationsentwicklung oder Medien- und Lobbyarbeit in Anspruch genommen.
Im „Forschungsteil“ des Projektes wird aktuell eine Best Practice Studie durchgeführt, die Anstellungsmodelle im Care-Sektor in fünf europäischen Ländern untersucht. Sie wird im Weiteren als Grundlage für die Erstellung eines Konzeptes für ein Anstellungsmodell in Österreich dienen.
Um die Auswirkungen der Pendelmigration in Herkunftsländern und im privaten Leben der Betreuer:innen besser zu verstehen, geht das Projekt über die Grenzen Österreichs hinaus. Wir bilden gerade ein Konsortium mit Partner:innenorganisationen aus der Slowakei und Rumänien und werden unsere Zusammenarbeit im Jänner 2023 beginnen.
Im Mai präsentierte die Regierung die Eckpunkte der Pflegereform. Während für Ausbildung und Bezahlung der professionellen Pfleger:innen konkrete Maßnahmen verabschiedet wurden, blieb das Papier bei der 24h-Betreuung völlig unkonkret. Einziger – ebenfalls unkonkreter Lichtblick: Durch eine Verbesserung der arbeitsrechtlichen Bedingungen soll eine Attraktivierung der unselbstständigen Beschäftigung in der 24h-Betreuung geschaffen werden.
Ende August lud das Sozialministerium zu einem Stakeholder Austausch ein. Thema war die Qualitätssicherung in der 24h-Betreuung im Rahmen der selbständigen Tätigkeit. Als Maßnahmen wurde v.a. ein Bonus für qualitätszertifizierte Agenturen von den Vermittlungsagenturen gefordert; für Kolleg:innen, die ohne Agenturen arbeiten, wird seitens des Sozialministeriums die Erarbeitung einer Qualitätszertifizierung für Betreuer:innen angedacht. Die IG24 hat darauf hingewiesen, dass in der derzeitigen Form des ÖQZ die Arbeitsbedingungen der Betreuer:innen nicht berücksichtigt werden und dass Fortbildungsmaßnahmen nur erstsprachlich und online vorstellbar sind und dies mit einer Erhöhung der Honorare einhergehen muss. Auch die Notwendigkeit des Ausbaus von Kontrollen der Arbeitssituation vor Ort, bzw. die Unterstützung und Beratung der Betreuer:innen durch diplomiertes Pflegepersonal wurde thematisiert, dazu sind Gespräche mit den Ländern geplant.
4 24h-Betreuer:innen ziehen vor Gericht
Bei der Umsetzung unseres Prozesses gegen die Scheinselbstständigkeit sind wir einige entscheidende Schritte vorangekommen: Die Klage wurde eingereicht, der Prozess wird in den nächsten Monaten beginnen. Eine Kampagne mit Testimonials läuft dazu in den sozialen Medien wie Facebook, Instagram und Twitter.
Durch das Crowdfunding haben wir die Hälfte der möglichen Prozesskosten gesammelt. Ein großer Teil der Kosten ist jedoch nach wie vor offen, was bedeutet, dass wir auf weitere Spenden angewiesen sind und weiter sammeln. Helft mit, gemeinsam können wir diesen wichtigen Beitrag noch erzielen!
Wir möchten auf diesem Weg allen Spender:innen und Unterstützer:innen herzlich danken und freuen uns natürlich über weitere Spenden und jegliche Form der öffentlichen Solidarisierung!
5 Unser neues Büro in Wien
Seit April 2022 sind wir Teil der Bürogemeinschaft in der Schottengasse 3A/1/4/59, 1010 Wien und stolze Mieter:innen unseres eigenen kleinen, aber feinen Büroraums. So sind wir in der Lage, die Projektarbeit von hier aus abzuwickeln, unsere Materialien unterzubringen, Sitzungen abzuhalten und, falls gewünscht, Beratungen vor Ort zu organisieren.
Vereinbart gerne einen Termin – wir freuen uns auf euren Besuch!
Seit Beginn der Amnesty-Kampagne kooperiert die IG24 mit Amnesty International auf vielfältige Art. Nach einem gelungenen ersten Treffen fand Ende September bereits das zweite – inhaltlich anknüpfende – Treffen dieser Art statt. Organisiert und moderiert von Amnesty International waren Vertreter:innen des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Pflege, des Ministeriums für Arbeit und Wirtschaft sowie des Bundeskanzleramts und Sprecher:innen von diversen Interessenvertretungen (ÖGB, AK, IG24, CuraFAIR) anwesend. Unter anderem wurde die Reglementierung des Gewerbes für Personenorganisation (Vermittlung von Personenbetreuer:innen), strukturelle Lösungen für systemische Hürden, Gewalt bzw. sexuelle Übergriffe innerhalb der Branche und staatliche Kontrollen der Arbeitsbedingungen als auch konkrete Verbesserungsvorschläge seitens der IG24 und Curafair thematisiert.
Das Resümee aus diesem Treffen: der Bedarf nach struktureller Verbesserung in der Branche über die aktuelle Situation hinaus wird von allen Seiten erkannt. Weitere Vernetzungstreffen in diesem Format sind notwendig und gewünscht.
7 Gefährliche Transporte
Anfang September kam es erneut zu einem tödlichen Unfall eines Personentransporters mit sieben 24h-Betreuer:innen an Bord. Dieser Unfall ist kein Einzelfall, sondern hat eine Geschichte, die sich in der 24h-Betreuung in Österreich regelmäßig wiederholt und immer wieder Leben kostet.
Die IG24 hat aus diesem Anlass am 1.9.2022 zu einer Kundgebung aufgerufen und diese gemeinsam mit ihren Partner:innenorganisationen LEFÖ, Amnesty, Curafair und dem UNDOK- Verband veranstaltet.
Unsere Initiative hat der Abgeordnete zum Nationalrat, Alois Stöger, zum Anlass genommen, eine parlamentarische Anfrage zu stellen. Wir danken dafür und hoffen, dass dies auch zu Konsequenzen dieser lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen führt!
8 Zusammenarbeit mit CuraFAIR: Broschüre
Zusammen mit CuraFAIR – Anlaufstelle für Personenbetreuer:innen (Projekt der Volkshilfe Oberösterreich) haben wir im Januar 2022 eine Informationsbroschüre für Betreuer:innen zuerst in deutscher Sprache herausgebracht. Nun geht die rumänische und slowakische Version der Broschüre in Druck und wird auf unsere Mitglieder verschickt sowie online auf unserer Webseite zum freien Download gestellt. Des Weiteren wird die bulgarische und ungarische Übersetzung der Broschüre in Auftrag gegeben. Wir freuen uns sehr, dass 24h-Betreuer:innen kompakte Informationen und Tipps rund um das Personenbetreuungsgewerbe, Sozialversicherung, Familienleistungen, etc. bald in ihrer Muttersprache lesen können! Gezielt auf die Fragen aus der 24h-Betreuer:innen-Communities versucht die Broschüre auf verständliche Weise einen Überblick über die komplexe Materie zu schaffen. Sie soll den 24h-Betreuer:innen nicht nur ihre unternehmerische Tätigkeit erleichtern, sondern sie auch im Sinne von Prävention vor Ausbeutung am Arbeitsplatz schützen.
9 Gleichbehandlung und Antidiskriminierung
Zum Thema Gleichbehandlung und Antidiskriminierung konnten wir im Mai und Juni 2022 wichtige Schritte setzen.
Im Mai 2022 fand ein NGO-Dialog im Antidiskriminierungsbereich zum Thema „Gleichbehandlung und Pflege“ statt, in dem wir als Speaker:innen teilgenommen haben. Danke der Sektion Frauen und Gleichstellung im Bundeskanzleramt für die Einladung!
Im Juni 2022 nahm die IG24 am Webinar der Gleichbehandlungsanwaltschaft zum Thema Gleichbehandlung und Antidiskriminierung teil. Diese Initiative kam vonseiten der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Der Anlass dazu war bedauerlicherweise ein Fall von sexueller Belästigung einer rumänischen 24h-Betreuerin durch einen Klienten. Die Jurist:innen von der Gleichbehandlungsanwaltschaft haben uns bei der Beratung und Intervention im erwähnten Fall sehr unterstützt.Wir danken für die Zeit, die sie uns gewidmet haben und freuen uns auf die weitere Kooperation!
10 Auftritte, Vorträge, Publikationen, Workshops
Die letzten Monate hatten wir zahlreiche Vorträge und Lehrveranstaltungen in verschiedenen Fakultäten wie beispielsweise der Universität für angewandte Kunst in Wien (dieAngewandte) im Rahmen ihrer Vortragsreihe Kunst-Forschung-Geschlecht.
Darüber hinaus waren wir die diesjährigen Vortragenden bei der Gender Gala des Institutes für Politikwissenschaft der Universität Wien. Unter dem Titel „Migrantisch, weiblich, unverzichtbar – und überausgebeutete!“ sprachen wir über die Arbeitsbedingungen der 24h-Betreuer:innen, unsere Aktivitäten innerhalb der IG24 und die emanzipatorischen Perspektiven in dieser Branche.
In Innsbruck waren wir im Rahmen der Veranstaltung „Migrantisch, weiblich, überausgebeutet und systemrelevant. Die Organisierung von 24-Stunden-Betreuer*innen“ zu Gast. Gemeinsam mit dem Frauensekretariat des ÖGB Tirol sowie der Forschungsplattform Center für interdisziplinäre Geschlechterforschung der Universität Innsbruck (CGI) hatten wir die Möglichkeit unsere Anliegen und Forderungen in der Diskussionsveranstaltung einzubringen und einen spannenden Abend zu verbringen.
Daneben waren wir bei folgenden Events mit dabei:
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Buchpräsentation „Grenzen aus Glas. Arbeit, Rassismus und Kämpfe der Migration in Deutschland“
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Eröffnung der Wienwoche
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Vortragende bei der Fokus-Konferenz im Rahmen der Zukunftswerkstatt Gesundheitspolitik
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57. International Conference of Labour and Social History (ITH)
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Eröffnung der Ausstellung „Hilfslinien“ im Frauenmuseum in Hittisau
Zusätzlich zu unserer Präsenz bei diversen Veranstaltungen und Vorträgen schrieben wir Beiträge und gaben Interviews für zahlreiche Zeitungen, Zeitschriften und Bücher. Unsere Statements könnt ihr unter anderen in der Kleinen Zeitung, den Zeitschriften Frauensolidarität, AEP-Informationen, Momentum Quaterly, dem Tagebuch oder im Gaismair- Jahrbuch (Wirtschaft neu ausrichten! Die Care-Bewegung und ihre konzeptionellen Grundlagen im Barbara-Budrich-Verlag) nachlesen. Im Rahmen der Reihe „#nachgefragt. Geschichte hat viele Perspektiven“ des Hauses der Geschichte entstand als Nachbetrachtung der Ausstellung „Heimat großer Töchter“ ein Videointerview.
Vielen Dank für Eure Unterstützung und Euer Interesse!
IG24